Wiener Grundwasserkapazitäten: Update zu den Werken Donauinsel-Nord und Nussdorf

Das Grundwasserwerk Donauinsel-Nord darf, anders als bisher auf beasts.at dargestellt, nur bei Versorgungsengpässen zur Trinkwasserversorgung herangezogen werden, und die in solchen Fällen aus Nussdorf einspeisbaren Mengen sind deutlich geringer als bisher angegeben.

Diese Sachverhalte ergeben sich aus den wasserrechtlichen Bescheiden für die beiden Grundwasserwerke aus den Jahren 2013 (Donauinsel-Nord) und 2002 (Nussdorf). Eine Information vorweg: Beide nötigen Updates stehen damit in Zusammenhang, dass die Stadt Wien auf die für beide Grundwasserwerke ursprünglich bzw. zum Bescheidzeitpunkt vorgesehenen Aufbereitungsanlagen verzichtet hat.

Die nachstehende Grafik zeigt die tatsächliche Zusammensetzung der Grundwasserkapazitäten der Wiener Trinkwasserversorgung im Vergleich zur bisherigen Darstellung.

Erläuterungen zur Grafik. Die Kapazitäten von Donauinsel-Nord werden zu den Reserven für „Versorgungsengpässe“ verschoben und die in solchen Fällen aus Nussdorf einspeisbaren Mengen sind um ca. 45 Prozent geringer. Die Brunnen Markethäufel und Prager Straße sind „Wackelkandidaten“ (Nutzbarkeit und Kapazitäten sind fraglich) und wurden nur zwecks Vergleichbarkeit mit früheren Darstellungen in der Grafik inkludiert. Die regulären Grundwasserkapazitäten sinken damit auf ca. 152.000 m³, die Reserven bei Versorgungsengpässen erhöhen sich auf max. ca. 97.000 m³.

Dank. Die Kenntnis der Bescheide verdanke ich Manfred Christ vom „Lobaumuseum – Verein für Umweltgeschichte“ (lobaumuseum.wien) und Diplomkaufmann Hans Schmid, einem engagierten Anrainer der Lobau, die Mitte Jänner die Wiener Wasserrechtsbehörde (Magistratsabteilung 58) in der Brigittenau aufsuchten, in diese Bescheide Einsicht nahmen und sie dokumentierten.

Details aus den Bescheiden

1. Grundwasserwerk Donauinsel-Nord (in Betrieb seit 2015). Das in diesem Werk geförderte Grundwasser (Kapazität: ca. 43.000 m³ / Tag) darf nur in „kritischen Versorgungsituationen“ in das Wiener Trinkwassernetz eingespeist werden, so der Bescheid der obersten Wasserrechtsbehörde (Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft) vom 4. November 2013 (Zahl: UW.4.1.6/0491 I/5/2013). Unter einer „kritischen Versorgungsituation“ ist ein Ausfall einer der beiden Hochquellenleitungen, ein Ausfall des Grundwasserwerks Lobau oder einer „maßgeblichen Transportleitung“ zu verstehen, wie den Ausführungen des nichtamtlichen Sachverständigen im Bescheid zu entnehmen ist. Außerdem sind zahlreiche Auflagen v. a. in punkto Hygiene einzuhalten, und zwar ausnahmslos. Die Dauer einer solchen Nutzung des Werks ist auf maximal drei Monate im Jahr beschränkt.

Der Grund für diese beschränkte Bewilligung: Die Stadt Wien hat auf die ursprünglich geplante Aufbereitungsanlage für das Grundwasserwerk verzichtet; realisiert wurde lediglich eine Desinfektionsanlage (UV-Bestrahlung und Chlordioxid), wie auf beasts.at im Mai 2019 im Beitrag Rettung der Lobau: Aufbereitung erschwinglich berichtet. Ohne „mehrstufige Aufbereitung“ erfülle das auf der Donauinsel geförderte Grundwasser nicht die Mindesterfordernisse für eine reguläre Einspeisung, wird der nichtamtliche Sachverständige im Bescheid zitiert.

2. Grundwasserwerk Nussdorf. Aus diesem Werk, das nur über eine Desinfektionsanlage mittels UV-Bestrahlung verfügt, dürfen gemäß der im November 2002 erstellten Betriebsvorschrift in „kritischen Versorgungssituationen“ entgegen bisherigen Annahmen nicht 900 Liter / Sek., sondern nur 500 Liter / Sek. ins Netz eingespeist werden – die Kapazität dieses Werks in solchen Fällen beträgt daher nicht ca. 77.700 m³ / Tag, sondern nur ca. 43.000 m³ / Tag. Für dieses Werk bestehen ebenfalls zahlreiche Auflagen v. a. in punkto Hygiene, die ausnahmslos einzuhalten sind.

Auch hier ist die fehlende Aufbereitungsmöglichkeit ausschlaggebend: Zum Zeitpunkt der Genehmigung dieser Betriebsvorschrift durch das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft wurde davon ausgegangen, dass das geplante Wasserwerk Kleehäufel realisiert wird. Dieses Projekt sah die Errichtung einer gemeinsamen Aufbereitung für die Grundwasserbrunnen in Nussdorf, auf der Donauinsel, in der Prager Straße und in der Oberen und Unteren Lobau vor und wurde im März 2004 von der obersten Wasserrechtsbehörde bewilligt. Die Stadt Wien hat jedoch irgendwann nach 2007 dieses Projekt in die Schublade gelegt – siehe dazu u. a. den Beitrag Rettung der Lobau: Aufbereitung erschwinglich.

Im Fall der Realisierung des Wasserwerks Kleehäufel hätten bis zu 900 Liter / Sek. aus dem Grundwasserwerk Nussdorf der Aufbereitungsanlage zugeführt werden können – das entspricht der auf beasts.at bisher angegebenen Kapazität von ca. 77.700 m³ / Tag.

3. Bewilligung nur bis Ende 2023. Die Bewilligung für das Werk auf der Donauinsel ist außerdem mit 31.12.2023 befristet. Das bedeutet, dass dieses Werk ab 2024 eventuell nicht einmal mehr als Notfallreserve genutzt werden kann. Die Stadt Wien steht also unter einem gewissen Zugzwang: Sie kann die Bewilligung auslaufen lassen und damit das Werk in eine Investitionsruine verwandeln, eine Verlängerung der Bewilligung beantragen oder sich dazu entscheiden, die ursprünglich für das Werk geplante Aufbereitungsanlage doch zu realisieren. Weitere Überlegungen dazu würden aber den Rahmen dieses Beitrags sprengen.

Rätselraten & MA 31

Mit der Einsichtnahme in die wasserrechtlichen Bescheide wurde ein von der MA 31 (Wiener Wasser) durch irreführende Auskünfte gefördertes Rätselraten über die Gründe beendet, warum das Grundwasserwerk Donauinsel-Nord nicht zur regulären Trinkwasserversorgung herangezogen wird. Bei der Beantwortung zweier Anfragen von 2019 und 2020 zu den Mengen und zur Herkunft des ins Wiener Trinkwassernetz eingespeisten Grundwassers, mit ausdrücklicher Nennung der Werke in der Lobau, in Moosbrunn und auf der Donauinsel, hat es die MA 31 in beiden Fällen geschafft, den tatsächlichen Grund für die fehlende Nutzung des Grundwasserwerks Donauinsel-Nord nicht anzuführen: nämlich dass schlicht und einfach wie im Fall von Nussdorf keine Bewilligung dafür vorliegt, das Werk zur regulären Versorgung heranzuziehen.

Stattdessen wurden Statements abgegeben, die im ersten Fall nicht nachvollziehbar waren (die „anderen Wasserspender“ würden „auf Grund der erschrotbaren Menge eine untergeordnete Rolle“ spielen) und im zweiten Fall vermuten ließen, das Werk werde u. a. aus betriebswirtschaftlichen Gründen nicht genutzt. (Siehe dazu den Beitrag Braucht Wien das Grundwasser aus der Lobau?.) Das erschien nicht völlig unplausibel, worauf ich weitere Recherchen zum Werk auf die lange Bank schob. Für die daraus folgenden unrichtigen Darstellungen auf beasts.at bin ich natürlich allein verantwortlich. Ich werde die betroffenen Beiträge umgehend mit entsprechenden Hinweisen ergänzen.

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