Die Antwort, kurz gefasst: Nein – höchstwahrscheinlich nicht.
Hier der Link zum Beitrag – bitte unbedingt lesen, wenn einem die Lobau am Herzen liegt: Braucht Wien das Grundwasser aus der Lobau?
Dass Wien auch ohne das Grundwasserwerk Lobau seine Wasserversorgung sicherstellen könnte, ist sicher für die meisten verblüffend.
Das ist kein Wunder: Dass das Grundwasserwerk Lobau ein unverzichtbarer Bestandteil der Wiener Trinkwasserversorgung sei, wird von der Stadt Wien und der Magistratsabteilung 31 – Wiener Wasser seit Jahrzehnten wie ein Mantra wiederholt. Diese Wahrnehmung hat sich daher erfolgreich im öffentlichen Bewusstsein verankert. Auch wenn sie zumindest nach Adam Riese nicht der Wirklichkeit entsprechen kann.
Denn Wien verfügt seit 2015 selbst ohne das Grundwasserwerk Lobau über mehr Grundwasserkapazitäten als in den Jahrzehnten vor 2006. Was vor 2006 mit weniger funktioniert hat und als sicher galt, sollte mit mehr davon auch heute funktionieren – und sogar mit einer höheren Versorgungssicherheit als vor 2006. Egal, ob es um die Deckung von Verbrauchsspitzen im Sommer oder um die Möglichkeit geht, routinemäßige Wartungsarbeiten an den beiden Hochquellenleitungen durchzuführen, die in der Regel in der kühleren Jahreshälfte vorgenommen werden.
Die beiden Grafiken zeigen, wie sich die Versorgungskapazitäten durch die Errichtung und Inbetriebnahme der Wasserwerke in Moosbrunn südlich von Wien (2006, mit Aufbereitung) und auf der Donauinsel (Donauinsel-Nord, 2015, ebenfalls mit Aufbereitung) verändert haben. Vor 2006 gab es, ohne Notfallreserven, höchstens Kapazitäten für 80-90.000 m³ pro Tag; seit 2015 gibt es Kapazitäten von knapp 116.000 m³ – ohne Lobau!
Rätsel Wasserwerk Donauinsel-Nord.
Ein noch aufklärungsbedürftiges Rätsel besteht in Zusammenhang mit dem Wasserwerk auf der Donauinsel. Denn wie sich auf Basis von Auskünften der MA 31 in den letzten beiden Jahren herausgestellt hat, nutzt die MA 31 zwar neben dem Grundwasserwerk Lobau seit 2006 regelmäßig auch das Grundwasserwerk Moosbrunn (siehe Grafik Grundwassersplit; Moosbrunn-Mengen bis 2018), tut aber ansonsten so, als ob es das Werk auf der Donauinsel gar nicht gäbe.
In einer Auskunft der MA 31 vom 16.12.2019 gemäß dem Wiener Auskunftspflichtgesetz heißt es dazu etwas kryptisch, dass die „anderen Wasserspender“ (in Wien, wohlgemerkt, nicht Moosbrunn!) „auf Grund der erschrotbaren Menge eine untergeordnete Rolle“ spielen würden.
Die MA 31 behauptet damit implizit, dass die jedenfalls zweistelligen Millionenbeträge, die von der Stadt Wien in die Errichtung des Wasserwerks Donauinsel-Nord und die dortige Aufbereitungsanlage investiert wurden, letztlich zwecklos gewesen wären, da durch dieses Wasserwerk keine nennenswerten „erschrotbaren Mengen“ bereitgestellt werden.
Das käme einer eklatanten Verschleuderung öffentlicher Mittel gleich und wäre daher ein Fall für den Stadtrechnungshof Wien.
Mit der Frage konfrontiert, warum von den Wiener Grundwasserwerken praktisch ausschließlich das Werk Lobau genutzt würde, wartete die MA 31 mit einer ausweichenden Antwort auf:
(Nachzulesen auf fragdenstaat.at: Grundwasserbedarf der Stadt Wien, fast ausschließliche Deckung aus der Lobau.)
Etwas umformuliert heißt das in etwa: „Es hat mit der Lobau immer gut funktioniert, wir sind das so gewohnt, und außerdem ist es billiger.“ Das wäre vielleicht doch zu unverblümt, daher fügte die MA 31 noch einen Nachsatz hinzu:
In dieser Allgemeinheit ist diese Anmerkung natürlich korrekt. Als „Maximalkonsens“ wird eine behördlich (Wasserrecht) festgelegte Höchstmenge pro Zeiteinheit bezeichnet, die einem Grundwasserkörper für welche Zwecke auch immer entnommen werden darf. Korrekt ist, dass diese Höchstmenge nicht jederzeit zur Verfügung stehen wird, wenn weitere Auflagen etwa in Bezug auf den Zustand des Grundwasserkörpers oder die Qualität des Grundwassers einzuhalten sind. Das gilt ganz besonders für das Grundwasserwerk in der Lobau, vor allem in Zusammenhang mit dem Donaupegel. Dieses Werk ist etwa ab dem HSW 2010 (Höchster Schifffahrtswasserstand 2010) überhaupt komplett stillzulegen und unterliegt auch bei niedrigeren Wasserständen diversen Nutzungseinschränkungen, was sich u.a. der Tatsache verdankt, dass das Wasser aus der Lobau nur desinfiziert, aber nicht aufbereitet werden kann.
Im Gegensatz dazu verfügen sowohl das Werk Moosbrunn als auch das Wasserwerk auf der Donauinsel über eine Aufbereitungsanlage. Sollte sich die Qualität des Uferfiltrats der Donau im Bereich der Doauinsel-Nord derart verschlechtern, dass es trotz Aufbereitung nicht mehr ins Netz eingespeist werden kann, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass gleichzeitig auch die Nutzung des Grundwasserwerks Lobau signifikant beeinträchtigt wäre. Warum das Werk auf der Donauinsel praktisch nicht genutzt wird, lässt sich derart jedenfalls nicht erklären. Und die Unverzichtbarkeit des Grundwasserwerks Lobau lässt sich damit erst recht nicht begründen.
Option Aufbereitungsanlage
Neben dem Verzicht auf das Werk in der Lobau gibt es natürlich auch die Option, das Werk mit einer Aufbereitungsanlage auszustatten, mit der eine allfällige Verschlechterung der Wasserqualität in der Lobau durch die naturschutzrechtlich gebotenen Dotationen kompensiert werden könnte. Eine solche war 2003 bereits geplant, umsetzungsreif und sogar weitgehend finanziert – in Gestalt des Wasserwerks Kleehäufel, wo nicht nur das Wasser aus der Lobau, sondern auch aus dem Brunnenfeld Nussdorf (wichtigster Teil der „Notfallreserven“ in den beiden Grafiken oben) zentral aufbereitet worden wäre. Das Projekt Kleehäufel wurde aber nicht realisiert – warum, ist bis heute nicht klar. Dazu und zu weiteren Hintergründen siehe die Links zu meinen früheren Beiträgen.
* Lobau: Die Quadratur des Kreises
* Rettung der Lobau: Aufbereitung erschwinglich
* Lobau und Umweltrecht
* Warum der Betrieb des Grundwasserwerks Lobau gegen EU-Umweltrecht verstößt